Was bedeutet Bildung?

Die Bildung steckt nach PISA in einer Krise, bei Berufsanfängern wird fehlende Allgemeinbildung bemängelt, es gibt bildungsnahe und bildungsferne Schichten. Doch was meinen wir eigentlich, wenn wir von Bildung sprechen? Unter diesem Begriff wurden und werden ganz unterschiedliche Phänomene und Ideale zusammengefasst.

Bildung als Allgemeinbildung

Ein gebildeter Kandidat hat in einer Quizshow gute Chancen auf eine hohe Gewinnsumme. Hinter einer solchen These steckt das Verständnis, Bildung bedeute in erster Linie die Anhäufung von abfragbarem Wissen, gewissermaßen ein kopfinternes Wikipedia mit möglichst vielen Einträgen. Dieser Art des lexikalischen Wissens widerspricht die oft vertretene Auffassung, das online verfügbare Wikipedia mache solche Faktenanhäufung im eigenen Gedächtnis völlig überflüssig. Viel wichtiger sei, zu wissen, wo man nachschlägt. Freilich erfordert es wiederum eine andere Art von Wissen, um in den herangezogenen Quellen Wichtiges von Unwichtigem und Glaubhaftes von Unglaubhaftem zu unterscheiden.

Bildung als Universalgelehrtheit

In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik an den deutschen Gymnasien, die sich vor einer Weile an der zugespitzten Aussage aufheizte, ein Abiturient könne zwar in mehreren Sprachen Gedichte analysieren und interpretieren, jedoch keine Steuererklärung anfertigen. Der hier kritisierte Bildungsbegriff ist einer, zu dem das Streben gehört, den zu Bildenden einen möglichst breit gefächerten Einblick in die Welt der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bieten, seien sie nun natur- oder geisteswissenschaftlicher Art. Doch hinter dieser Einrichtung der (humanistischen) Gymnasien steht ein Bildungsanspruch, dessen erklärtes Ziel es ist, den Schülern die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer sämtlichen Fähigkeiten zu bieten.

Bildung als Kompetenzerwerb

In der jüngeren Vergangenheit setzte sich dieser pädagogische Ansatz zunehmend durch, der sich von einem zu vermittelnden Inhalt entfernt und den Fokus verstärkt auf die Vermittlung von übergreifenden Kompetenzen setzt. Schüler sollen lernen, Informationen zu sammeln und zu bewerten, sie anderen verständlich darzustellen, sie sollen argumentieren und sich selbst organisieren können und vieles mehr. Diese Herangehensweise ist recht nah an dem bereits angesprochenen und verbreiteten Ansatz, lieber zu lernen, wo man das benötigte Wissen findet als dieses Wissen auf Vorrat und Verdacht anzuhäufen.

Bildung als Menschwerdung

Ein sehr weit gefasstes Bildungsverständnis vertrat unter anderem der Philosoph G.W.F. Hegel. Seiner Ansicht nach wird ein Kind erst durch Bildung zu einem Menschen, wobei er zum Prozess der Bildung auch die Erziehung in der Familie und die Eingliederung in ein funktionierendes Gemeinwesen zählt. Erst der Mensch, der lernt, sich selbst zu verstehen, zu beherrschen und zu organisieren, der alles Wissen und alle Fähigkeiten und obendrein die moralischen Werte verinnerlicht, die er benötigt, um ein Teil seiner Gesellschaft zu werden, kann sich in diesem Sinne wirklich Mensch nennen. Freilich sind in diesem Sinne das benötigte Wissen und die benötigten Fähigkeiten wieder relativ zu sehen, je nach dem, welche Rolle die Person im Gemeinwesen einnimmt.

Der Bildungsbegriff hat viele Facetten und in jedem Fall überschreitet er das, was man mit simplen Tests und Leistungsmessungen erfassen kann. So wie bei der Beurteilung der Intelligenz längst nicht mehr nur die kognitive, sondern auch die emotionale, soziale und weitere Ebenen miteinbezogen werden, müssen bei allen Diskussionen und Urteilen über Bildung auch dort andere Aspekte berücksichtigt werden als das reine Quiz-Show-Wissen.

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